Umweltschutz aus volkswirtschaftlicher Sicht


Birgit Labusch



1 Wirtschaft und Umweltschutz

Bei den meisten neoklassischen Wirtschaftssystemen wird die Wirtschaft als das Gesamtsystem betrachtet und die Natur als eines ihrer Subsysteme. Dieses Modell mag nützlich sein, um die Tauschvorgänge zwischen Produzenten und Verbrauchern aufzuzeigen; da aber weder Materie noch Energie in das System hineingeht oder hinaustritt, scheint das Wachstum unbegrenzt zu sein. Selbst wenn die Natur als endlich begriffen wird, so ist sie nach diesem Modell aber immer noch nur ein Sektor, der durch einen anderen ersetzt werden kann, ohne daß das Wachstum dadurch gestört oder gehemmt wird.

Dieses Modell mag seine Richtigkeit haben, solange die Menschen in einem - relativ zum Ökosystem gesehen - sehr kleinen Maßstab gewirtschaftet haben. Doch mit der Zeit wird dieser Maßstab durch immer mehr Menschen, die an dem Wirtschaftswachstum teilhaben wollen und durch immer höhere Ansprüche immer größer, so daß dieses Wachstum plötzlich nicht mehr ohne Opfer möglich ist. Dreht man den Spieß ein wenig und betrachtet die Wirtschaft als Subsystem eines endlichen, nicht wachsenden Ökosystems, daß ein maximales Maß für den Durchsatz an Materie und Energie hat und auch einen optimalen Maßstab besitzt, so werden die ökologischen Kosten die Gewinne aufzehren, wenn die Wirtschaft über das Optimum hinaus wächst. So entsteht kein Reichtum, sondern Almut.

Als Ziel sollte vielmehr eine steady-state-Wirtschaft angestrebt werden, die sich dadurch auszeichnet, daß der Durchsatz auf einem konstanten Niveau bleibt, bei dem die Umwelt weder auf ihre Regenerationsfähigkeit hinaus ausgebeutet wird, noch über ihre Aufnahmefähigkeit hinaus verschmutzt wird. Diese Entwicklung ohne Wachstum ist nachhaltig. Eine Wirtschaft in stationärem Maßstab vermag aber auch weiterhin ihre Fähigkeit zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zu steigern, indem sie die Ressourcen effizienter nutzt, die sozialen Einrichtungen verbessert und ihre moralischen Prioritäten klar formuliert - aber nicht, indem sie den Durchsatz an Ressourcen erhöht.
 

2 Die Gefahren des freien Handels


Der internationale Freihandel (auf dem auch das GATT-Abkommen basiert; siehe unten) ignoriert aber immer noch die Tatsache, daß nicht nur Kosten bei der Produktion entstehen, sondern auch hohe Umweltkosten, die aber heute noch hauptsächlich von der Allgemeinheit getragen werden. Würden also beispielsweise die Energiekosten (inkl. der Folgekosten) von den Energieverbrauchern (z.B. Transport) getragen werden müssen, so wurden die Gewinne aus dem Freihandel stark geschmälert werden.

Die Argumente für den Freihandel sind ganz einfach: Jeder soll sich auf dem Gebiet spezialisieren, auf dem er am kostengünstigsten produzieren kann, also einen komparativen Kostenvorteil besitzt. Hierbei wird aber völlig übersehen, daß ein Verlust der Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten (nicht jeder möchte z.B. in der Landwirtschaft arbeiten) und eine Abhängigkeit gegenüber anderen Staaten entsteht, die die Lebensqualität der Menschen außer acht läßt. Eine weitere Gefahr besteht darin, daß auf diese Weise – wenn nicht nur Güter, sondern auch Kapital beweglich ist – das eine Land, da seine Produktionskosten niedriger sind, plötzlich alles produziert und das andere Land sehr schnell nichts mehr hat, da es nicht mehr produziert und auch alles Kapital aus dem Land in das Land mit dem komparativen Kostenvorteil geflossen ist.

Der Freihandel steht auch im Konflikt mit den grundlegenden Zielen jeder Wirtschaftspolitik, die

vorsieht.

Wirksame Allokation kann durch eine Internalisierung aller Kosten (Verursacher trägt die gesamten Kosten) erreicht werden. Dies läßt sich aber nur dann effektiv zusammen mit dem Freihandel verwirklichen, wenn alle Staaten dafür sorgen, daß die Kosten in die Produktpreise internalisiert werden, da sonst die Firmen in die Länder abwandern, in denen sie nicht selbst für ihre Umweltschäden aufkommen müssen und dadurch einen höheren Gewinn verbuchen können.

Eine weitere Möglichkeit, die sich einem Land bietet, das mit hohen ökologischen und sozialen Standards operiert, ist die Einführung von Kompensationszöllen gegenüber einem Land, daß sehr niedrige Standards hat. Zwar werden heute schon teilweise Zwangszölle erhoben, aber nur dann, wenn ein Land seine Güter unterhalb der Herstellungskosten anbietet, um sich Marktanteile zu erschleichen.

Dabei sollte es aber nicht Ziel sein, allen Ländern einen bestimmten Standard aufzuzwingen, sondern jedes Land sollte selbst für seine ökologischen und moralischen Werte verantwortlich sein. Erst sobald eine Ländergrenze überschritten wird, müssen die Kosten der dort gültigen Umweltstandards in Form von Zwangszöllen gezahlt werden. Der Freihandel und mit ihm das GATT-Abkommen beschleunigen aber durch Abbau der Handelsgrenzen das Tempo, mit dem der internationale Wettbewerb die Standards für Wirtschaftlichkeit, Verteilungsgerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit senkt. Auch fällt es einem großen Unternehmen leichter, sich in einer großen Freihandelszone der Rechenschaftsablegung vor einem örtlichen oder sogar nationalen Gemeinwesen zu entziehen; das Unternehmen kann hier eiskalt die komparativen Kostenvorteile der einzelnen Staaten für sich nutzen, ohne negative Konsequenzen tragen zu müssen. So kann das Unternehmen leicht kostenintensive und gewinnbringende Standorte räumlich voneinander trennen, also z.B. Arbeitskräfte auf Billiglohn-Märkten kaufen und seine Produkte auf anderen Märkten mit hohem Lohn- und Einkommensniveau verkaufen.
 

3 Das ökonomisch-ökologische Paradox


Ein anderer Ansatz geht davon aus, daß die Wirtschaft sich um so weniger um die Umwelt oder den Umweltschutz zu kümmern braucht, desto natürlicher sie ist und sich verstärkt um sie kümmern muß, je größer der Abstand zu ihr wird.

In der traditionellen Wirtschaft war es Aufgabe der Natur, die Ressourcen zu beschaffen und danach für die Entsorgung zu sorgen. Dies konnte so lange betrieben werden, wie nur regenerierbare Ressourcen in den Wirtschaftsprozeß eingingen und auch kein Raubbau getrieben wurde, d.h. der Natur die Zeit gelassen wurde, jedes Jahr ihre Ressourcen wieder zu regenerieren.

,,Hier waren Ökologie und Ökonomie selbstverständliche Partner, indem die Ökologie die Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaftsweise darstellte, und die Ökonomie nur die

Wirkung der ökologischen Kreisläufe verstärkt, z.B. durch Kultivierung des Bodens."

Die heutige Industriewirtschaft sieht aber ganz anders aus:

Da die moderne Wirtschaft also viel komplexer ist, muß sie sich nun auch selbst um Ressourcenbeschaffung und Entsorgung, sowie um die technologischen Risiken kümmern. Das hat vor allem zur Folge, daß ein wesentlicher Teil des Bruttosozialproduktes wieder eingesetzt werden muß, um einen gewissenhaften Umgang mit den Ressourcen, die Vermeidung von Abfällen und Emissionen und die Entsorgung und Wiederverwertung zu garantieren.
 

4 Das Leerlauf-Phänomen

Auf den ersten Blick scheint eine Erhöhung des (Brutto-)Sozialproduktes die Lösung aller Probleme zu sein, denn kann nicht auch mehr für den Umweltschutz gezahlt werden, wenn mehr Geld dafür zur Verfügung steht? Bei dieser Überlegung wird aber außer acht gelassen, daß die Umweltprobleme ja gerade dadurch entstehen, daß für das Wachstum in zunehmendem Maße die Natur verbraucht und belastet wird. Das bedeutet, sollten wir mit dieser Wirtschaftweise fortfahren, so steigen zwar die Mittel, um Umweltschutz zu betreiben, gleichzeitig werden aber auch die Anforderungen an den Umweltschutz gerade wegen der durch das wirtschaftliche Wachstum verursachten zusätzlichen Belastungen und der dadurch verursachten Aufwendungen für den Umweltschutz größer.

Wenn die Mittel, die für den Umweltschutz aufgebracht werden müssen, nun so hoch werden wie der Zuwachs des Sozialprodukts, die zusätzlichen Kosten also den zusätzlichen Gewinn verzehren, so spricht man von einem Leerlauf, bei dem man weder mehr noch weniger hat. Wenn dieser Leerlauf allerdings überschritten wird, so hat dies negative Auswirkungen auf das Wachstum, denn die Aufwendungen für den Umweltschutz führen dazu, daß ein immer geringerer Teil des Sozialproduktes für andere Zwecke übrigbleibt.

Ein kleines Beispiel soll dieses Problem etwas genauer aufzeigen: Wir gehen vereinfachend davon aus, daß Umweltverschmutzungen nur durch Emissionen verursacht werden. Nun ist es zum Ziel erklärt worden, die bestehende Emission um 50% zu senken und dann diese Restemission konstant zu halten. Bei einem Ressourcenverbrauch von 100 muß die Restemission pro Ressourceneinheit durch Reinigungsmaßnahmen auf die Hälfte, also auf 50% reduziert werden. Wenn aber der Ressourcenverbrauch auf 200 steigt, dann muß die Restemission auf ein Viertel, also auf 25% vermindert werden, damit es bei der Gesamtrestemission von 50 bleibt. Das benötigt aber einen zusätzlichen Aufwand an Ressourcen. Der Aufwand für den Umweltschutz steigt somit überproportional zum erreichten Reinheitsgrad. Daraus folgt: Wenn trotz Wachstum des Sozialproduktes und des Ressourcenverbrauchs ein bestimmter Umweltstandard aufrechterhalten werden soll, muß die Restemission pro Ressourceneinheit stets verringert und damit der Aufwand für den Umweltschutz überproportional zu den Mitteln, die aus dem wirtschaftlichen Wachstum fließen, erhöht werden.

Als Ergebnisse können wir festhalten:

5 Auswege aus dem Leerlauf

Aus der Darstellung des Leerlauf-Phänomens ergibt sich, daß es erweiterte Umweltschutz-Strategien gibt, die die Leerlaufgrenze deutlich hinausschieben, also den Konflikt wesentlich mildern können, indem sie das Wirtschaftswachstum von vornherein auf die Erfordernisse des Umweltschutzes ausrichten. Dazu gehören folgende Strategien:
  1. Wir haben angenommen, daß das Wachstum des Bruttosozialproduktes so an den Energie und Rohstoffverbrauch gekoppelt ist, daß parallel dazu die Umweltverschmutzung ansteigt.

  2. Wenn es gelingt, diesen Verbrauch allmählich zu senken, ohne dabei wieder neue Ressourcen in Anspruch zu nehmen, so gelangen wir zu einem ressourcenschonenden Wachstum, das die Leerlaufgrenze hinausschiebt; also um qualitatives Wachstum.
  3. Man kann die Effizienz der Umweltschutzauflagen erhöhen, indem man von der bloßen nachträglichen Reinigung von Abfällen zur Wiederverwertung und Wiederverwendung der Abfälle (Recycling) und von der Verwertung zur Verminderung und Vermeidung übergeht.

 

GATT (General Agreement on Tarifs and Trade)

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen


1. Entstehung:

Das GATT geht zurück auf die Bemühungen um eine Liberalisierung des Welthandels, zunächst allgemein formuliert in der Atlantik-Charta (1941), dann in der Charta der UN (1945). Ende 1945 stellten die USA ,,Proposals for Expansion of World Trade and Employment" zur Diskussion, die die Gründung einer internationalen Handelsorganisation (ITO) und die Kodifizierung einer Welthandels-Charta (Havanna-Charta) vorsahen. Die handelspolitischen Abschnitte der Havanna-Charta wurden am 30.10.1947 als GATT von 23 Staaten angenommen, zugleich mit einem Vertragswerk über gegenseitige Zollherabsetzungen und Zollbindungen. Am 1.1.1948 trat das GATT in Kraft. Formal ist das GATT lediglich ein multilaterales Handelsabkommen, es hat jedoch den Rang einer autonomen internationalen Organisation gewonnen und gehört zu den Sonderorganisationen der UN-Mitglieder:
(offiziell: Vertragsparteien) 100 Vollmitglieder; weitere 30 Länder wenden das GATT de facto an (Stand von 1991).
 
 

2. Ziele:

Erhöhung des Lebensstandards sowie Förderung der Beschäftigung und des wirtschaftlichen Wachstums in den Mitgliedstaaten durch Intensivierung des internationalen Güteraustausches.
Die Vertragspartner tragen zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen bei durch kollektiven Zollabbau, gesichert durch Zollbindungen auf der Grundlage der Meistbegünstigung (die Verpflichtung eines Staates, dem Handelsvertragspartner alle Vorteile einzuräumen, die er einem Dritten gewährt) bzw. Vermeidung von Diskriminierungen.
 
 

3. Organisation und Verfahren:

4. Bestimmungen: Besondere Einrichtung für die Entwicklungsländer (seit 1968): International Trade Center, gemeinsam mit der UNCTAD tätig. Aufgabe ist es, die Entwicklungsländer beim Aufbau der institutionellen Infrastruktur des Handels und des Transportwesens zu unterstützen, Exportmärkte für Produkte aus Entwicklungsländern zu erschließen und Experten auf dem Entwicklungsländer auszubilden.
 
 

5. Wirksamkeit des GATT:

6. Wichtige Veröffentlichungen:

International Trade (jährlich); GATT-Activities (jährlich); Basic Instruments and Selected Documents Series; GATT Studies in International Trade.