Proseminar

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre

Dr. Haas

WS 1992/93

 
 
 
 

Kreditwürdigkeitsprüfung

mit Bilanzen

 
 
 
 
 
Labusch, Birgit Krause, Melanie Ute
Smidtstr. 5, 2000 Hamburg 26  Gebrüderstr. 3, 2202 Barmstedt
Tel.:040/202838 Tel.:04123/1343
Informatik, Matr.-Nr.:4174986 Volkswirtschaftslehre, Matr.-Nr.:4337796
5.Semester 3. Semester

 
 
 

Teil A: Einleitung

I. Problemstellung

II. Bilanzanalyse als Mittel der Kreditwürdigkeitsprüfung

Teil B: Techniken der Bilanzanalyse

I. Kreditbilanz

II. Kennzahlen

Teil C: Aufbereitung des Zahlenmaterials der Bilanzanalyse

I. Aufbereitung der Aktivseite

II. Aufbereitung der Passivseite

Teil D: Bilanzkritik: Finanzwirtschaftliche Analyse

I. Investitionsanalyse

II. Finanzanalyse

III. Liquiditätsanalyse

Teil E: Bilanzkritik: Analyse des Erfolges

I. Ergebnisanalyse in absoluten Zahlen

I. 1. Ergebnisquellenanalyse

I. 2. Analyse der Aufwands- und Ertragsstruktur

II. Ergebnisanalyse in relativen Zahlen

Teil F: Probleme der Bilanzanalyse

Literaturverzeichnis

Teil A: Einleitung

I. Problemstellung


Voraussetzung für die Vergabe eines Kredites seitens einer Bank ist die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Antragstellers. Diese Prüfung erfolgt mit Hilfe von Bilanzen, da in der Regel der Jahresabschluß dem Kreditgeber als Hauptinformationsquelle nach §242 HGB zur Verfügung steht.

Es empfiehlt sich, weitere Informationsquellen wie Geschäftsberichte, Hauszeitungen, Schriften der zuständigen Fachverbände und Körperschaften oder sonstige Quellen (Fachpresse, Börsenhandbücher, Konjunkturberichte) zu nutzen. Untersucht wird, ob der nachgesuchte Kredit voraussichtlich fristgerecht verzinst und getilgt werden kann. Dabei sollten auch die Besonderheiten des zu analysierenden Unternehmens beachtet werden. Ziel ist es, die Gefahr der Illiquidität zu erkennen und damit das Kreditrisiko zu verringern.

Unterschieden werden muß zwischen kurzfristiger und langfristiger Kreditgewährung. Die Geber kurzfristiger Kredite sind daran interessiert, Liquidations-, Vermögens- und Kapitalstruktur einzuschätzen. Bei der langfristigen Kreditvergabe sind besonders die Zukunftsaussichten, die Ertragskraft und die Rentabilität von Bedeutung.
 
 

II. Bilanzanalyse als Mittel der Kreditwürdigkeitsprüfung


Die kritische Beurteilung und wirtschaftliche Auswertung der Bilanz wird in der Literatur allgemein als Bilanzanalyse bezeichnet.

"Zweck der Bilanzanalyse ist es [..], durch Aufbereitung des Jahresabschlusses Indizien für die künftige Entwicklung der Unternehmung, insbesondere ihre Rentabilität und Liquidität, zu gewinnen." [Leffson, Seite 28]

Ausgangspunkt der Bilanzuntersuchung ist die statische Bilanzanalyse.

Eine weitere Möglichkeit besteht im Betriebs- oder Branchenvergleich oder auch im Zeitvergleich, wobei die formale und materielle Bilanzkontinuität und die Bilanzstetigkeit Voraussetzungen sind.

Nach der Prüfung der Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit den gesetzlichen Vorschriften durch den Abschlußprüfer (formale Bilanzanalyse), beginnt der Kreditsachbearbeiter mit der materiellen Bilanzanalyse. Weiterhin sind die Instrumente seiner Bilanzanalyse zu untersuchen.
 
 
 

Teil B: Techniken der Bilanzanalyse

I. Kreditbilanz


Zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit kann der Kreditgeber auch eine Kreditbilanz heranziehen. "In der Kreditbilanz soll das aufzustellende und zu beurteilende Bild unmittelbar auf den Zusammenhang mit dem Kreditantrag abzielen." [Weichner, S.155]  So beinhaltet sie z.B. das Vermögen als Deckungsmasse, die Zusammensetzung und Höhe bereits eingegangener Verpflichtungen, die Bildung stiller Reserven und die wirkliche Höhe des Eigenkapitals. Hierbei muß beachtet werden, daß das Interesse des Aufstellers, nämlich den gewünschten Kredit zu erhalten, das Aussehen des Kreditstatus beeinflußt.
 
 

II. Kennzahlen


Ein weiteres Instrument zur Auswertung der Bilanz ist die Bildung von Kennzahlen, die sich im folgenden einzig als relevant erweisen wird. Ihre Bedeutung liegt darin, daß Sachverhalte auf eine einzige Zahl komprimiert werden und so wichtige Tatbestände sichtbar machen.

Es gibt verschiedene Kennzahlenarten: Grundzahlen oder absolute Zahlen werden direkt aus der Bilanz entnommen. Da sie nur begrenzte Aussagekraft besitzen, werden häufiger Verhältniszahlen verwendet.

Vor der Kennzahlenbildung muß zunächst das vorliegende Zahlenmaterial durch Aufspaltung und Richtigstellung aufbereitet werden.
 
 
 

Teil C: Aufbereitung des Zahlenmaterials der Bilanzanalyse

I. Aufbereitung der Aktivseite

Bei der Aufbereitung des Datenmaterials geht es insbesondere darum, mögliche, in den Bilanzpositionen steckende, stille Reserven aufzudecken oder Überbewertungen zu erkennen. Die Bilanzpositionen werden in zweckmäßiger Weise zusammengefaßt. Die Vermögensseite wird nach Liquiditätsgesichtspunkten gruppiert. Diese Umgestaltung nach einheitlichen betriebswirtschaftlichen Aspekten ist wichtig, um die Vergleichbarkeit verschiedener Jahresabschlüsse zu gewährleisten und eine Auswertung zu ermöglichen.

So kann man sagen, daß z.B. durch die Aufdeckung stiller Reserven die Aktivseite verlängert wird und auf der Passivseite die stillen Reserven dem Eigenkapital zugerechnet werden. Im Rahmen der Bewertung der Vorräte besteht für das Unternehmen die Möglichkeit, stille Reserven zu bilden. Bei Bestimmung des Wertansatzes der Vorräte nach dem Verbrauchsfolgeverfahren muß der mögliche Unterschiedsbetrag zwischen dem bilanzierten Wert und dem Börsen- oder Marktpreis nach $284 HGB im Anhang angegeben werden. Dieser Betrag kann also als stille Reserve berücksichtigt werden.

Bei der Position "Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital" wird die Bilanz in einer anderen Form aufbereitet. Überbewertungen nämlich verringern die Aktivseite und werden auf der Passivseite vom Eigenkapital abgezogen.

Die von den Gesellschaftern zwar gezeichneten, aber noch nicht voll eingezahlten Anteile tragen nicht zum Erfolg des Unternehmens bei, dienen aber als Haftungskapital für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (es wird hier von der Kapitalgesellschaft als Kreditsteller ausgegangen, da deren Jahresabschluß ohne Schwierigkeiten verfügbar ist).

Folglich können derartige ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital als eine Wertberichtigung zum Eigenkapital mit diesem saldiert werden. Hieraus ergibt sich eine Bilanzverkürzung.
 

II. Aufbereitung der Passivseite


Die Passiva werden unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zum Eigen- oder Fremdkapital und nach der Fristigkeit geordnet. Folgende Aufbereitungsmaßnahmen sind erforderlich: Um den Gesamtbetrag des Eigenkapital zu ermitteln, sind der Gewinn- bzw. Verlustbetrag mit dem des Eigenkapitals zu saldieren. Der Jahresüberschuß wird dem Eigenkapital zugerechnet, wenn noch keine Entscheidung über die Gewinnverwendung erfolgt ist. Ist hingegen bekannt, wie der Überschuß auf Rücklagen und Ausschüttungen verteilt werden soll, zählt nur der in die Rücklage einzustellende Betrag zum Eigenkapital. Der zur Ausschüttung vorgesehene Betrag wird den kurzfristigen Verbindlichkeiten zugerechnet. Der Sonderposten mit Rücklageanteil wird je zur Hälfte dem Eigenkapital und den mittelfristigen Verbindlichkeiten zugeordnet. Mindernd wirken sich - wie im Kapitel Aufbereitung der Aktivseite teilweise erläutert - die ausstehenden, nicht eingeforderten Einlagen, aktivierte Bilanzierungshilfen, aktiviertes Disagio und unterlassene Pensionsrückstellungen aus. Die Struktur des Fremdkapitals wird durch eine weitere Aufgliederung der Verbindlichkeiten und eine Unterteilung der Rückstellungen sichtbar gemacht. Es wird hinsichtlich seiner Fristigkeit, seiner Sicherheit (Verbindlichkeit) oder Unsicherheit (Rückstellungen) und seiner besonderen rechtlichen Sicherung aufbereitet. Bei den Rückstellungen ist es notwendig, diese nach ihrer Restlaufzeit unter den Positionen des kurz-, mittel- oder langfristigen Fremdkapitals zu erfassen.
 
 
 

Teil D: Bilanzkritik: Finanzwirtschaftliche Analyse

I. Investitionsanalyse


Sobald die Aufbereitung des Zahlenmaterials erledigt ist, steht dem Bilanzbeurteiler ein Material zur Verfügung, das es ihm ermöglicht, die Unternehmensverhältnisse gut zu überblicken; soweit das auf der Grundlage des Jahresabschlusses überhaupt erreicht werden kann.

Zunächst sollen Kenntnisse über die finanzielle Stabilität des zu beurteilenden Unternehmens durch eine Untersuchung der Vermögensstruktur gewonnen werden. Die Untersuchung dient dazu, Vorstellungen von der Art und der Zusammensetzung des Vermögens, sowie über die Dauer der Vermögensbindung zu erlangen. Es soll festgestellt werden, mit welcher Geschwindigkeit die Vermögensgegenstände durch den Umsatzprozeß wieder zu Geld werden. Ist das Kapital zu lange gebunden, droht die Gefahr der Illiquidität und die Unternehmensleitung ist nicht in der Lage, sich flexibel an Beschäftigungs- und Strukturänderungen anzupassen. Die folgenden Kennzahlen[Olfert et al. und Gräfer]  der Vermögensstruktur sind die wichtigsten:

Anlageintensität = ( Anlagevermögen : Gesamtvermögen ) * 100.

Je kleiner der Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen ist, um so besser ist die Kapazitätsausnutzung und dies führt zu einer positiven Beurteilung der finanziellen Stabilität des Unternehmens. Der Aussagegehalt muß jedoch eingeschränkt werden, denn zwischenbetriebliche Vergleiche sind wegen unternehmensindividueller und branchenbezogener Einflüsse nicht durchführbar. Eine detailliertere Investitionsanalyse mittels weiterer Kennzahlen erweist sich deshalb als notwendig. Die Umschlagskoeffizienten lassen genauere Schlüsse über die Bindungsdauer des Vermögens zu und geben damit Hinweise auf den Kapitalbedarf. Der Gesamtkapitalumschlag wird berechnet als

(Umsatz : Gesamtkapital) * 100.

All diese Umschlagskoeffizienten sind Kennzahlen, die durch die Inbeziehungsetzung von Bestandsgrößen mit den damit zusammenhängenden Stromgrößen gebildet werden. Als Bestandsgrößen werden verschiedene Vermögenspositionen herangezogen. Je häufiger z.B. der Warenbestand umgesetzt wird, desto besser wird das Vermögen genutzt. Die Bildung von Umschlagskoeffizienten ist in zweifacher Weise möglich:

Es kann entweder die Umschlagshäufigkeit als Abgang der Periode in Relation zum durchschnittlichen Bestand der Periode oder die Umschlagsdauer in Tagen ermittelt werden. Sie gibt dann an, wie lange eine Vermögensposition im Umsatzprozeß gebunden ist. Von Wichtigkeit im Rahmen der Investitionsanalyse ist auch, das Verhalten des Unternehmers als Investor zu beurteilen.

Die Investitionsquote

(Nettoinvestitionen bei Sachanlagen : Anfangsbestand der Sachanlagen) * 100

gibt Aufschluß darüber, welche Investitionsneigung in einem Unternehmen besteht.

Die Kennzahl

Investitionsdeckung = (Abschreibungen auf Sachanlagen : Zugänge an Sachanlagen) * 100

zeigt, ob und in welchem Umfang Anlagenzugänge aus Abschreibungen finanziert werden. Liegt die Investitionsdeckung über 100%, dann wurden die Abschreibungen nicht voll reinvestiert; bei einem Wert unter 100% liegt die Quote der Reinvestition über den Abschreibungen. Der Kreditgeber kann damit beurteilen, welche Investitionspolitik in dem Unternehmen vorherrscht.
 
 
 

II. Finanzanalyse


In einem zweiten Schritt muß sich der Kreditgeber Informationen über die Zusammensetzung des Kapitals nach Art, Sicherheit und Fristigkeit verschaffen. Er hat zu prüfen, ob die Finanzierung als angemessen gelten kann. Die Kapitalstruktur zeigt nun an, in welchem Maß das Unternehmen mit Eigenkapital und Fremdkapital finanziert ist.

Gemessen wird sie durch die Kennzahl

Eigenkapitalquote = (Eigenkapital : Gesamtkapital) * 100.

Generell kann gesagt werden, daß das Unternehmen um so solider finanziert ist, je höher der Eigenkapitalanteil ist. Da für das Eigenkapital keine Annuität, d.h. weder Zins noch Tilgung aufgebracht werden muß, stellt es ein "Verlustauffangpolster" dar. Es ist unkündbar und steht damit dem Unternehmen langfristig zur Verfügung. Ein hoher Eigenkapitalanteil garantiert der Unternehmensleitung Dispositionsfreiheit, schützt vor Unternehmenszusammenbrüchen in Folge von Überschuldung, vermindert das Risiko für die Gläubiger, stellt somit eine gute Grundlage für neue Kreditaufnahmen dar und reduziert die Gefahr kurzfristiger Liquiditätsengpässe.

Schließlich sollte die Relation Eigenkapital : Fremdkapital auch vom Standpunkt der Möglichkeit, neue Kredite zu beschaffen, gesehen werden. Wenn bereits ein großer Anteil fremder Mittel vorhanden ist, werden weitere Kreditverhandlungen erschwert.

Auf das Verhältnis der beiden Gruppen wirkt eine Fülle von Umständen ein; entscheidend ist z.B. die Kostenfrage. Die Grenze ist dort, wo die höchste Rentabilität des Eigenkapitals zu erwarten ist. "Wenn der zu erwirtschaftende Gewinn höher ist als der für die Mittelaufbringung geforderte Zins, ist Fremdkapitalaufnahme lohnend und berechtigt." [Weichner, Seite 5 und 198]

Neben der i.a. üblichen Eigenkapitalquote kann der gleiche Sachverhalt auch durch Verschuldungsgrad und Kapitalstruktur ausgedrückt werden:

Verschuldungsgrad = (Fremdkapital : Eigenkapital) * 100 ,

Kapitalstruktur = (Eigenkapital : Fremdkapital) * 100.

Als Faustregel gilt, daß das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital 2:1 sein sollte! Dabei sollte allerdings beachtet werden, daß Faustregeln allenfalls als eine Orientierung an Tendenzen angesehen werden können.

Eine ausreichende Beurteilung der Kapitalstruktur ist erst gegeben, wenn bekannt ist, über welche Zeiträume das Fremdkapital verfügbar ist. Es muß zwischen kurzfristigen (bis zu einem Jahr), mittelfristigen (zwischen einem und fünf Jahren) und langfristig fälligen (mehr als fünf Jahre) Verbindlichkeiten unterschieden werden. Weitere Relationen können also gebildet werden:

Der Wert der Einhaltung bestimmter Relationen liegt darin, daß das Unternehmen als solide finanziert und damit eher als kreditwürdig angesehen wird. Generell gilt, daß die Finanzierung als um so sicherer anzusehen ist, je länger die Mittel zur Verfügung stehen, je höher also der Anteil des langfristigen Fremdkapitals ist, weil der Liquiditätsdruck hier entfällt.

Neben der Fristigkeit sind auch die Verzinsung, die steuerliche Absetzbarkeit, eine eventuelle Einflußnahme auf die Geschäftsführung und die Kapitalsicherung bei der Analyse zu berücksichtigen. Es soll noch eine weitere aufschlußreiche Kennzahl angesprochen werden:

Der Bilanzkurs = (Eigenkapital : Grundkapital) * 100.

Im Vergleich mit dem Börsenkurs der Aktie kann offengelegt werden, in welchem Umfang Faktoren den Wert einer Unternehmens verändern, die nicht aus der Bilanz ersichtlich sind, beispielsweise die stillen Reserven und der Goodwill des Unternehmens.
 
 
 

III. Liquiditätsanalyse


Neben der vertikalen Bilanzanalyse ist auch ein weiterer Ansatzpunkt denkbar, nämlich die horizontale Bilanzanalyse. Die Mittelverwendung wird nun in die šberlegungen mit einbezogen und es sollen Zusammenhänge zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung aufgezeigt werden. Der Kreditgeber hat sich zu fragen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß es zur Zahlungsunfähigkeit kommt und welche Finanzmittel zur Schuldentilgung verfügbar sind, falls das Unternehmen tatsächlich liquidiert wird. Die Liquiditätsanalyse kann als statische oder dynamische Analyse durchgeführt werden.

Die statische Liquiditätsanalyse kann noch unterschieden werden in eine lang- und kurzfristige. Im Rahmen der langfristigen Liquiditätsanalyse sollen die traditionell verwendeten Deckungsgrade dargestellt werden:

Deckungsgrad I = (Eigenkapital : Anlagevermögen) * 100

Deckungsgrad II = ([Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital] : Anlagevermögen) * 100.

Nach der "goldenen Bankregel" sollen Deckungsgrad I oder - in ihrer modifizierten Form - Deckungsgrad II größer oder gleich 100% sein. Dies entspricht dem Grundsatz der Fristenkongruenz, nach dem sich bei der Finanzierung einer Investition Laufzeit der Finanzierung und Nutzungsdauer der Investition entsprechen sollen. Die Forderung Deckungsgrad I > 100% kann übertrieben sein; sie wird in der Regel auch nicht erfüllt. Im allgemeinen reicht es aus, wenn der Deckungsgrad II 100% erreicht bzw. übersteigt; bedenklich ist es allerdings, wenn auch diese Bedingung nicht eingehalten wird.

Bei der kurzfristigen Liquidationsanalyse bedient man sich der Liquiditätsgrade:

Liquidität 1.Grades = (liquide Mittel : kurzfristige Verbindlichkeiten) * 100.

Zu den liquiden Mitteln zählen dabei Barmittel, Bankguthaben und Schecks, sowie die jederzeit veräußerbaren Wertpapiere des Umlaufvermögens. Kurzfristiges Fremdkapital beinhaltet Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Schuldwechsel, Schulden bei Kreditinstituten, erhaltene Anzahlungen und Dividenden, wenn diese Positionen innerhalb von drei Monaten fällig werden. Die Aussagefähigkeit dieser Kennzahl ist relativ gering, da es keine Normvorstellungen gibt. Aufgrund dieser begrenzten Aussagekraft wird der Nenner auf das gesamte Finanz-Umlaufvermögen ausgedehnt und die Liquidität 2.Grades errechnet:

Liquidität 2.Grades = (Finanz-Umlaufvermögen : kurzfristige Verbindlichkeiten) * 100

Liquidität 3.Grades = (Umlaufvermögen : kurzfristige Verbindlichkeiten) * 100.

Die Forderung Liquidität 2.Grades > 100% hat in der Praxis Bedeutung, obwohl auch sie kaum aussagefähig ist. Die Forderung Liquidität 3.Grades > 100% sollte aber stets erfüllt sein.

Gegen die Aussagekraft der Liquiditätskennziffern werden folgende Einwände erhoben: Zum einen sind die Kennzahlen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nach Vorlage der Bilanz aufgestellt werden können, längst überholt, da sie eine Bestandsrechnung zu einem bestimmten Stichtag darstellen und wegen dieser Zeitpunktbetrachtung relativ leicht manipulierbar sind und zum anderen ist für die Einordnung in die Bilanz die Fristigkeit, d.h. die Gesamtlaufzeit, maßgeblich. Im Gegensatz dazu ist für die Liquidität die Fälligkeit, d.h. die Restlaufzeit, entscheidend.

Weiterhin sind aus den drei Kennzahlen Ein- und Auszahlungsströme nicht erkennbar. Künftige, noch nicht als Zahlungsverpflichtungen entstandene Zahlungen werden nicht berücksichtigt, so z.B. künftige Lohnzahlungen. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben Kreditspielräume, obwohl auch sie Liquidität darstellen. Die Zahlungsfähigkeit kann daher mit den Liquiditätskennziffern nicht beurteilt werden. Da ihnen aber in der Praxis Bedeutung beigemessen wird, bemühen sich Unternehmen trotzdem um positive Liquiditätskennziffern.

Die stromgrößenorientierte Liquiditätsanalyse geht nun der Frage nach, welche Finanzmittel aus dem Betriebsprozeß erwirtschaftet und wie diese verwendet werden. Es wird zwischen zwei Verfahren unterschieden: Die Cash-Flow-Analyse und die Kapitalflußrechnung. Unter dem Cash-Flow versteht man die Differenz von einnahmegleichen Erträgen und ausgabegleichen Aufwendungen. Diese Berechnung führt allerdings zu Schwierigkeiten und wird deshalb wie folgt angenommen:
 
 

Cash-Flow = erwirtschafteter Jahresüberschuß
+ Abschreibungen
+ Neuzuführung zu Rückstellungen
+ Bestandsminderung an unfertigen und fertigen Erzeugnissen
- Zuschreibungen
- Erträge aus Herabsetzung der Pauschalwertberichtigungen
- Bestandsmehrung an unfertigen und fertigen Erzeugnissen
 
Tabelle 1 : Cash-Flow. Quelle : Bilanzentutorium von Britta Oltmann

Es werden also zum Jahresüberschuß ausgabelose Aufwendungen addiert und einnahmelose Erträge subtrahiert.

Der Cash-Flow ist somit Maßstab für die Selbstfinanzierungsfähigkeit, Expansionsfähigkeit ohne fremde Mittel, Liquidität und Erfolg. Zudem geben die im Cash-Flow enthaltenen Posten an, in welchem Maß das Unternehmen fähig ist, Schulden zu tilgen und Zinsverbindlichkeiten zu erfüllen. Somit ist diese Kennzahl ein besonders geeignetes Mittel zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit.

Im folgenden wird das zweite Verfahren der dynamischen Liquiditätsanalyse erläutert: die Kapitalflußrechnung. Hier werden Mittelverwendung und Mittelherkunft in Form einer Bewegungsbilanz einander gegenübergestellt. Ihre Aufgabe ist es, Vermögens- und Kapitalbewegungen darzustellen und sie stellt - ebenso wie der Cash-Flow - ein Mittel zur Beurteilung der Liquidität dar.

Die Bewegungsbilanz entsteht durch Saldierung von zwei aufeinanderfolgenden Bilanzen. Die Saldi der Bilanzbestände werden nach den Kriterien Mittelherkunft (Verminderung der Aktiva und Erhöhung der Passiva), sowie Mittelverwendung (Erhöhung der Aktiva und Verminderung der Passiva) geordnet. Die Kapitalflußrechnung kann nach folgendem Schema erfolgen:
 
 
 

Mittelverwendung Mittelherkunft
Erhöhung - Sach-AV & immaterielles AV Minderung - Sach-AV & immaterielles AV
Minderung - Eigenkapital - langfristiges FK Erhöhung - Eigenkapital - langfristiges FK 
= langfristiger Kapitalbedarf = langfristiger Kapitalzufluß

Erhöhung - Umlaufvermögen

Minderung - Umlaufvermögen
Minderung - kurzfristiges FK Erhöhung - kurzfristiges FK
= kurzfristiger Kapitalbedarf = kurzfristiger Kapitalzufluß
Summe = Kapitalbedarf Summe = Kapitalzufluß
Tabelle 2 : Bewegungsbilanz. Quelle : Bilanzentutorium von Britta Oltmann

Es muß aber beachtet werden, daß die Positionen bewertungs-, stichtagsabhängig und vergangenheitsorientiert sind. Weiterhin werden nur die Veränderungen, nicht aber die Entwicklung, sichtbar. Einige Bewegungen können auch z.T. keine Zahlungsvorgänge sein, sondern nur buchmäßige Bewertungsänderungen.
 
 
 

Teil E: Bilanzkritik: Analyse des Erfolges

I. Ergebnisanalyse in absoluten Zahlen


Im Mittelpunkt der Kreditwürdigkeitsprüfung steht für die Fremdkapitalgeber die Analyse des Erfolges zur Beurteilung der Ertragskraft. Die Ertragskraft steht für die Fähigkeit einer Unternehmung, in der Zukunft nachhaltig Gewinne zu erzielen.

Zunächst muß die gegenwärtige Ertragslage erkannt werden, indem die Angaben im Jahresabschluß soweit wie möglich von bilanzpolitischen, handels- und steuerrechtlichen Einflüssen bereinigt werden. Dann müssen die Erfolgskomponenten Ertrag und Aufwand untersucht werden, um übermäßig hohe Aufwandspositionen und schwache oder besonders ergiebige Ertragspositionen ausfindig zu machen. Schließlich müssen Rückschlüsse von der gegenwärtigen Gewinnlage auf die zukünftigen Gewinnaussichten gezogen werden. Das grundlegende Informationsmaterial für die Analyse der Ertragslage liefert die Gewinn- und Verlustrechnung, in der der Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag als Saldo aller Aufwendungen der Abrechnungsperiode (Gesamtkostenverfahren) ausgewiesen wird.
 

I. 1. Ergebnisquellenanalyse


In einer Ergebnisquellenanalyse sollen nun die Komponenten des Gesamtergebnisses offengelegt werden. Es muß festgestellt werden, in welchem Maß das Ergebnis aus dem eigentlichen Betriebszweck oder aus betriebsfremden Aktivitäten resultiert. Der außerordentliche Erfolg erfaßt dagegen Erträge und Aufwendungen, die nach Art und Höhe ungewöhnlich sind und unregelmäßig anfallen.

Im folgenden wird das ordentliche Betriebsergebnis, das betriebsfremde und das außerordentliche Ergebnis dargestellt:

"Das ordentliche Betriebsergebnis umfaßt die regelmäßig anfallenden Aufwendungen und Erträge aus der Erzeugung und dem Vertrieb der vom Unternehmen im Rahmen ihres jeweiligen Geschäftszweiges erzeugten und gelieferten Produkte."[Coenenberg, Seite 682]

Dies ergibt sich aus den folgenden Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung, wobei zwischen Gewinn- und Verlustrechnung nach Gesamt- und Umsatzkostenverfahren unterschieden werden muß.
 
 
 
 
 

Betriebsleistung = Umsatzerlöse
+ Mehrung (-Minderung) des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
+ andere aktivierte Eigenleistungen
+ sonstige betriebliche Erträge
   - Auflösung aus dem Sonderposten mit Rücklageanteil
   - untypische oder unregelmäßige Erträge
   - Zuschreibungen
Betriebsaufwand = Materialaufwand
+ Personalaufwand
+ Abschreibungen
   - außerplanmäßige Abschreibungen
   - steuerliche Sonderabschreibungen
+ sonstige betriebliche Aufwendungen
   - Einstellungen in den Sonderposten mit Rücklageanteil
   - untypische oder unregelmäßige Aufwendungen
+ sonstige Steuern
+ unterlassene Pensionsrückstellungen des Geschäftsjahres
Betriebsleistung - Betriebsaufwand = ordentliches Betriebsergebnis
Tabelle 3 : Ordentliches Betriebsergebnis nach Gesamtkostenverfahren. Quelle : vgl. H.Gräfer, Bilanzanalyse, 4.Auflage, Herne/Berlin,1988, Seite 145

Ordentliches Betriebsergebnis nach Umsatzkostenverfahren siehe Tabelle 4.

Zu einigen Positionen sind Erklärungen notwendig.

Die erste Position "Umsatzerlöse" ist eindeutig dem ordentlichen Betriebsergebnis zuzuordnen, da nur die Erlöse ausgewiesen werden, die der eigentlichen Betriebsleistung der Unternehmung entsprechen (§277 Abs.1 HGB). Die "sonstigen betrieblichen Erträge" stellen eine Problemposition dar, weil in ihnen Bestandteile aller drei Erfolgsquellen vermischt enthalten sein können. Besonders berücksichtigt werden muß, daß ein Teil der Aufwendungen, insbesondere in den Herstellkosten und im "sonstigen betrieblichen Aufwand", durch handelsrechtlich zulässige oder steuerlich gebotene Maßnahmen entstanden sind. Es handelt sich somit um stille Reserven. Liefert der Jahresabschluß entsprechende Informationen, wird der Bewertungsaufwand vom Betriebsaufwand abgezogen und damit das ordentliche Betriebsergebnis erhöht. Beispiele sind steuerliche Sonderabschreibungen oder außerplanmäßige Abschreibungen.
 
 

Betriebsleistung = Umsatzerlöse
+ sonstige betriebliche Erträge
   - Auflösungen aus dem Sonderposten mit Rücklageanteil
   - untypische oder unregelmäßige Erträge
   - Zuschreibungen
Betriebsaufwand = Herstellkosten
+ Vertriebskosten
+ allgemeine Verwaltungskosten
+ Kosten sonstiger Funktionsbereiche
+ sonstige betriebliche Aufwendungen
   - Einstellungen in den Sonderposten
   - untypische oder unregelmäßige Aufwendungen
+ sonstige Steuern
+ unterlassene Pensionsrückstellungen des Geschäftsjahres
+ außerplanmäßige Abschreibungen auf Sachanlagen
- steuerliche Sonderabschreibungen auf Sachanlagen
Betriebsleistung - Betriebsaufwand = ordentliches Betriebsergebnis
Tabelle 4 : Ordentliches Betriebsergebnis nach Umsatzkostenverfahren. Quelle : H.Gräfer, Bilanzanalyse, 4.Auflage, Herne/Berlin, 1988, Seite 146

Die Komponenten des betriebsfremden Ergebnisses sind nun die folgenden:
 
 

betriebsfremde Erträge  = Erträge aus Gewinngemeinschaften
+ Erträge aus Beteiligungen
+ Erträge aus Wertpapieren des Finanz-AV
   + Zinsen und ähnliche Erträge
betriebsfremde Aufwendungen = Zinsen und ähnliche Aufwendungen
+ Verlustübernahmen, Aufwendungen für Gewinnmehrungen
betriebsfremde Erträge - betriebsfremde Aufwendungen = betriebsfremdes Ergebnis
Tabelle 5 : Betriebsfremdes Ergebnis. Quelle : vgl. H.Gräfer, Bilanzanalyse, 4.Auflage, Herne/Berlin, 1988, Seite 149

Es stellt sich die Frage, ob die Zinsaufwendungen nicht eher im ordentlichen Betriebsergebnis erfaßt werden müssen. Dafür spricht, daß diese Aufwendungen in engem Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit stehen. Dagegen spricht, daß es für die Beurteilung des Unternehmens mit Hilfe des Betriebs- oder Branchenvergleichs aber zweckmäßig ist, die Einflüsse auf das Ergebnis, die von der Finanzierungsart ausgehen, zu isolieren.

Das außerordentliche Betriebsergebnis kann wie folgt zusammengefaßt werden:
 
 

außerordentliche Erträge = außerordentlicher Ertrag laut GuV
+ Kursgewinne
+ sonstige unregelmäßige Erträge
außerordentliche Aufwendungen = außerordentlicher Aufwand laut GuV
+ Kursverluste
+ Abschreibungen auf Finanz-AV und Wertpapiere
+ außerplanmäßige Abschreibungen
+ sonstige unregelmäßige Aufwendungen
außerordentliche Erträge - außerordentliche Aufwendungen = außerordentliches Betriebsergebnis
Tabelle 6 : Außerordentliches Betriebsergebnis. Quelle : vgl. H.Gräfer, Bilanzanalyse, 4.Auflage, Herne/Berlin, 1988, Seite 150

 

I. 2. Analyse der Aufwands- und Ertragsstruktur

Für die Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft ist das ordentliche Betriebsergebnis eine besonders relevante Größe. Um Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu ziehen, ist es notwendig, festzustellen, in welchem Maße sich die einzelnen Positionen verändern. Dazu werden die wichtigsten Aufwands- und Ertragsarten ins Verhältnis zu ihren Bezugsgrößen gesetzt.

Um den Einfluß einzelner Aufwandsarten für das Betriebsergebnis zu verdeutlichen, werden sogenannte Intensitätskennzahlen gebildet. Bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens werden die Kennzahlen Material-, Personal- und Kapitalintensität gebildet.

Materialintensität = (Materialaufwand : Gesamtleistung) * 100.

Gleiche Entwicklungen in mehreren Betrieben weisen auf veränderte Beschaffungspreise hin.

Das zeigt, daß eine Urteilsfindung nur bei Betrachtung mehrerer Betriebe sinnvoll ist.

Personalintensität = (Personalaufwand : Gesamtleistung) * 100.

Der Personalaufwand umfaßt Löhne, Gehälter, soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung. Dieser   Größe wird aufgrund steigender Personalkosten heutzutage immer größere Bedeutung beigemessen. Überproportionale Steigerungen sind als Vorsorge zu werten, wenn Einstellungen in Pensionsrückstellungen nachgeholt werden.

Kapitalintensität = (Abschreibungsaufwand : Gesamtleistung) * 100.

Der Quotient ist ein Maßstab für die Wirtschaftlichkeit des eingesetzten Sachanlagevermögens. Er ist insofern schwierig zu ermitteln, da der Abschreibungsaufwand durch bilanzpolitische Maßnahmen stark verfälscht sein kann.

Bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens dagegen können die Kosten der einzelnen Funktionsbereiche in Relation zum Umsatz gesetzt werden. Mögliche Intensitätskennzahlen sind

die Herstellungsintensität = (Herstellkosten : Umsatz) * 100

und die Vertriebsintensität = (Vertriebskosten : Umsatz) * 100.

Beachtet werden muß aber, daß z.B. bei einer immer kleiner werdenden Vertriebsintensität Marketingaktivitäten die Ursache sein können.

Bei der Struktur des Ertrages gilt als informative Kennzahl die

Umsatzdominanz = (Umsatz : Gesamtertrag) * 100.

Wenn eine dieser Aufwands- oder Ertragsarten im Verhältnis zur Bezugsgröße überproportional steigt, muß untersucht werden, ob sich die Wirtschaftlichkeit verschlechtert hat oder ob Preissteigerungen die Ursachen sind. Im letzten Fall muß analysiert werden, ob derartige Steigerungen durch Senkungen in anderen Bereichen kompensiert werden konnten. So kann der Bilanzprüfer schnell erkennen, inwieweit das Unternehmen selbständig auf diese externen Einflüsse reagiert.
 
 
 

II. Ergebnisanalyse in relativen Zahlen


Da nun bei der Beurteilung eines Unternehmens die Ertragslage mit dem Branchendurchschnitt oder mit der anderer gleichartiger Unternehmen verglichen wird, sollte die Erfolgsgröße in Relation zu Bezugsgrößen angegeben werden, um einen angemessenen Soll-Ist-Vergleich zu ermöglichen.

Dies geschieht bei der Rentabilitätsanalyse. "[...]Bei [der] Kreditgewährung durch Banken [...] [muß] darauf geachtet werden [..], daß die Rentabilität nicht unter jene Grenze sinkt, die zur Kostendeckung, zur Sicherung der Wertbeständigkeit der Kapitalanlagen und zur Sicherung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes erforderlich ist [...]." [Mayer et al., Seite179]

Anhand der Eigenkapitalrentabilität = (Jahresüberschuß : Eigenkapital) * 100 kann der Analytiker im Betriebs- oder Branchenvergleich erkennen, in welcher Lage - gemessen an Vergleichsobjekten - sich das betrachtete Unternehmen in bezug auf die Rentabilität des Eigenkapitals befindet. Die Verzinsung des eingesetzten Gesamtkapitals drückt die

Gesamtkapitalrentabilität = ([Jahresüberschuß+Fremdkapitalzinsen] : Gesamtkapital) * 100

aus. Durch die Berücksichtigung von Fremdkapitalzinsen werden die Einflüsse unterschiedlicher Finanzierungen beim Branchen- oder Betriebsvergleich ausgeschaltet.

Weiterhin kann es sinnvoll sein, die Einflüsse des neutralen Ergebnisses auszuschließen. Hierzu kann die Betriebsrentabilität berechnet werden:

Betriebsrentabilität = (ordentlicher Betriebserfolg : betriebsnotwendiges Vermögen) * 100.

Das betriebsnotwendige Vermögen wird nach folgendem Schema errechnet, da hierzu keine Angaben in der Bilanz vorhanden sind:
 
 
 

betriebsnotwendiges Vermögen = Gesamtvermögen
- Finanzanlagen
- Wertpapiere des Umlaufvermögens
- eigene Anteile
- sonstige Vermögensgegenstände
Tabelle 7: Betriebsnotwendiges Vermögen. Quelle : vgl. H.Gräfer, Bilanzanalyse, 4.Auflage, Herne/Berlin, 1988, Seite 175

 

Die Umsatzrentabilität = (ordentlicher Betriebserfolg : Umsatzerlöse) * 100 kann Aufschluß über die Gewinnspanne eines Unternehmens geben. Verringert sich diese, kann dies ein Indikator für eine allgemein ungünstige wirtschaftliche Entwicklung als auch für eine schlechte Geschäftspolitik sein.

Um die Zusammenhänge zwischen den verwendeten Rentabilitätskennziffern deutlich zu machen, kann auch ein Kennzahlensystem der Analyse dienen. Erwähnt sei nur der "Return on Investment" (ROI):

ROI = ([Gewinn * Umsatz] : [Umsatz * investiertes Kapital]) * 100

ROI = Umsatzrentabilität * Umschlagshäufigkeit des investierten Kapitals.

Der ROI gibt Auskunft darüber, ob eine Veränderung der Gesamtkapitalrentabilität auf einer Veränderung der Umsatzrentabilität oder des Kapitalumschlages beruht.
 
 

Teil F: Probleme der Bilanzanalyse


Nachdem sich der Prüfer ein Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage machen konnte, muß er sich auch des Risikos von Fehlurteilen bewußt werden. Das Informationsmaterial eines externen Analytikers ist begrenzt. Angaben über nicht quantifizierbare Daten fehlen; so kann z.B. für die Beurteilung eines Unternehmens die Qualität des Managements, das Image der Unternehmung oder auch das technische Know-How eine bedeutende Rolle spielen. Desgleichen fehlen Kenntnisse über vorhandene Kreditreserven, Auftragsbestände, Sicherungsübereignungen, Eigentumsvorbehalte, Aktivitäten im Bereich der Forschung und Entwicklung, Werbemaßnahmen, Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter, Erweiterungen oder Verbesserungen des Produktions- und Absatzprogrammes, sowie weitere Maßnahmen, die wegen des Aktivierungsverbotes derartiger Aufwendungen für immaterielle Vermögensgegenstände nach §248 Abs.2 HGB nicht in der Bilanz auftauchen dürfen.

Aber auch das dem Bilanzprüfer bereitstehende Material weist gewisse Mängel auf. Die zukünftige Unternehmensentwicklung ist bei der Vergabe von Krediten bedeutungsvoll. Die Daten des Jahresabschlusses beziehen sich aber auf einen abgeschlossenen Zeitraum, sind vergangenheitsorientiert. Angaben über die Zukunft können nur unter der Annahme gemacht werden, daß von der jetzt erkennbaren Ertragslage auf die zukünftige geschlossen werden kann. Zu weiteren Informationen kann der Kreditgeber bei Kapitalgesellschaften gelangen, die gemäß §289 Abs.2 HGB im Lagebericht auf die voraussichtliche Entwicklung eingehen müssen. Schließlich sind die Informationen aber auch erst eine gewisse Zeit nach dem Bilanzstichtag verfügbar und damit zum Analysezeitpunkt oft schon überholt. Sogar die Zahlen selbst können verfälscht sein und Zweifel an der Wahrheit, Klarheit und Richtigkeit der Bilanz aufkommen lassen. "Die Bilanz ist kein eindeutiges Vermögensbild und keine klare Aussage über den betriebswirtschaftlich richtigen Erfolg, sondern ein bewußt beeinflußtes Mittel der Rechnungslegung als Ergebnis vorherrschender bilanzpolitischer Überlegungen." [Weichner, Seite 5 und 138]

So werden nur die Zusammenhänge am Bilanzstichtag dargestellt, die Kennzahlen spiegeln dabei nur eine Momentaufnahme wider. Weiterhin sind die Zahlen natürlich bewertungsabhängig. Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften sowie deren Wahlrechte ermöglichen den Ansatz der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu falschen Werten. Stille Reserven können z.B. durch die Aktivierung auf Basis der Anschaffungs- oder Herstellkosten oder durch den Verzicht auf Zuschreibungen gebildet werden. Bewertungsspielräume können ausgenutzt werden, um das Jahresergebnis nach Bedarf zu schönen oder zu verschlechtern. Wenn sich der Kreditgeber bei seiner Kreditwürdigkeitsprüfung dieser Probleme bewußt ist, kann die Bilanzanalyse ein geeignetes Mittel zur richtigen Beurteilung der Kreditwürdigkeit sein.
 
 
 
 

Literaturverzeichnis:


Coenenberg, Adolf Gerhard, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, 10.Auflage, 1988, Landsberg am Lech

Gräfer, Horst, Bilanzanalyse, 4.Auflage, 1988, Herne/Berlin

Leffson, Ulrich, Bilanzanalyse, 3.Auflage, 1984, Stuttgart

Mayer, Leopold/Mayer, Leopold, Bilanz- und Betriebsanalyse, 1960, Wiesbaden

Olfert, Klaus/Körner, Werner/Langenbeck, Jochen, Bilanzen, 5.Auflage, 1989, Ludwigshafen

Weichner, Alfred, Bilanzanalyse und Kreditwürdigkeitsprüfung, 2.Auflage, 1965, Stuttgart